24. März 1933 im Berliner Varietè „Scala“. Das aufgeregte Publikum sehnte sich nach Erik Jan Hanussen, damals Deutschlands bekanntester und berühmtester Hellseher. Wie immer erwarteten die Zuschauer Hanussens „Experimental-Vorträge“ in welchen er die Gedanken seiner Zuseher las und deren Zukunft vorhersagte. Doch an diesen Tag sollten die Gäste vergeblich warten. Der Magier und Hellseher war zu diesem Zeitpunkt bereits tot. Ermordet von seinen nationalsozialistischen Freunden, verscharrt irgendwo in einem Wald. Wochen später wurde die Leiche des Magiers in einem Waldstück gefunden, angefressen von Tieren.
Aus Steinschneider wird Hanussen
Geboren wurde Hanussen im Jahr 1889 in Österreich unter dem Namen Hermann Steinschneider. Er wuchs im Varietè-Milieu auf, verdiente sich sein täglich Brot als Sänger, Schauspieler und Zirkuskünstler. Er versuchte sich im Zerbeißen von Glas, Entfesselungskunststücken und Feuerschlucken. Laut eigenen Aussagen betrieb er das erste elektrische Kettenkarussell der Welt – in Wahrheit wurde das Karussell allerdings von Kindern angetrieben, die sich im Verborgenen hielten. Später schlug er sich als Reporter eines Wiener Boulevardblättchens durch und erpresste reiche Geschäftsleute. Um die Veröffentlichung seiner Klatsch- und Tratsch-Stories zu verhindern, welche für die Unternehmer durchaus vernichtende Folgen haben könnten, zahlten diese Schweigegeld – und Steinschneider konnte so beachtliche Geldsummen zur Seite legen.
Der Wendepunkt kam mit Steinschneiders Interesse am Okkulten. Vor allem Hellseherei und Telepathie verzauberten den jungen Mann. Fortan gab er an, echte telepathische Fähigkeiten zu besitzen und in der Lage zu sein, die Zukunft zu sehen. Mit Hilfe einfacher, aber wirkungsvoller Tricks trafen seine Vorhersagen zu, er wurde als Hellseher bekannt. Zeit, sich einen Künstlernamen zuzulegen. Erik Jan Hanussen war geboren.
Der Hochstapler, der Held
Erik Jan Hanussen konnte nicht zaubern – seine Karriere als klassischer Magier blieb erfolglos. Als Hellseher, Telepath und Hypnotiseur jedoch verdiente er sich Ansehen und Luxus. Spektakuläre Vorhersagen, medienwirksam präsentiert, okkultistische Beratungsgespräche und klassische Hellseher-Kunststücke machten Hanussen berühmt, reich und brachten ihm zahlreiche, wichtige gesellschaftliche Kontakte. 1931 wurde der Illusionist in einem Aufmerksamkeit erregenden und weltweit verfolgten Prozess der Hochstapelei und des Betrugs angeklagt, weil er die Gutgläubigkeit Vieler ausgenutzt habe. Er wurde freigesprochen – und war berühmter denn je.
Er verlegte Zeitungen, gab astrologische Börsentipps und vollführte Hellseher-Shows. Mit durchschlagendem Erfolg. All das machte in so reich, dass er eine Luxus-Yacht und einen Palast sein Eigen nennen konnte.
Hitlers privater Telepath
Hanussens gesellschaftliche Kontakte brachten ihm schließlich auch seine Bekanntschaft mit Hitler ein. Der Jude unterstützte in seinen Blättern den Nationalsozialismus, eine hochrangige SA-Mitglieder zählten zu seinem engsten Bekanntenkreis. Fortan beriet er Hitler, und prophezeite die Zukunft der NSDAP voraus. Angeblich soll er sogar den Reichstagsbrand geweissagt haben. Doch seine Verbindung zu den Nationalsozialisten wurden Hanussen schließlich zum Verhängnis. Nachdem seine jüdische Abstammung bekannt wurde, wurde es unruhig um den Künstler. Einen jüdischen Freund in NS-Kreisen? Für viele ein unangenehmer Gedanke. Zudem hatte ein einflussreiches Parteimitglied Schulden bei dem Hellseher, ein Mord käme einer „bequemen Beseitigung“ dieser finanziellen Abhängigkeit gleich.
So kam es, dass der Hellseher in der Nacht vom 24. auf den 25. März erschossen wurde. Und erst Tage später, stark verwest und angefressen, in einem Waldstück gefunden wurde. Das Mordmotiv wurde nie wirklich geklärt.
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