Ein Mann geht zum Friseur. Er setzt sich auf den Stuhl. Es wird deutlich, dass er etwas in Zeitnot ist, er scheint unruhig. So wundert es kaum, als er wenig später den Friseurmeister darüber informiert, dass er noch etwas zu erledigen habe. Was dann passiert, klingt unglaublich, ist für viele Personen aber ohne jeden Zweifel so geschehen. Denn, wenn man der Legende glaubt, lässt der Mann den Friseurmeister wissen, er müsse jetzt gehen, seinen Kopf könne er aber nichtsdestotrotz frisieren, den lasse er ihm nämlich da. Gesagt getan. Er reicht dem – sagen wir „etwas“ fassungslosen – Friseur seinen Kopf und marschiert mit seinem restlichen Körper davon. Die Rede ist von Zati Sungur, dem ersten weltweit bekannten und erfolgreichen türkischen Zauberkünstler und Illusionist.

Der gestrandete Offizier

Zati Sungur, ein Name der gleichgesetzt wird mit Zauberei und Illusion. Wenn jemand sagt „mach den Zati Sungur“, dann bedeutet das, dass etwas zum Verschwinden gebracht werden soll. Nach wie vor wird sein Name in einem Atemzug mit Magie genannt, auch nach seinem Tod im Jahr 1984 ist seine Bekannt- und Berühmtheit ungebrochen. Doch bis es so weit war, war es ein langer Weg.

Geboren wurde Zati Sungur im März des Jahres 1898. Schon im Grundschulalter begeisterte er seine Klassenkameraden mit Taschenspielertricks und verblüffte mit selbstgebastelten Bühnenoutfits. So wurden aus Kartons beispielsweise Manschetten und Kragen. Nach einer Offiziersausbildung in Deutschland verpasste er beim Ausbruch des ersten Weltkriegs das letzte Schiff, welches die Offiziere in die Heimat bringen sollte. Plötzlich fand er sich mittel- und heimatlos im fremden Deutschland wieder. Irgendwie musste er sich durchschlagen, sich Geld für Essen und ein Dach über dem Kopf verdienen. Anfangs schlug er sich als Arbeiter durch. Ein Kollege, selbst Zauberkünstler, brachte ihn schließlich auf die Idee, selbst als Magier aufzutreten. Und so kam es, dass Zati Sungur seine ersten Auftritte als Zauberkünstler hatte. Von Mal zu Mal wurden die Aufführungen professioneller. Der Erfolg kam schnell, eine erste Welttournee mit einer Artistengruppe folgte. Als „Comte Sati von Richmond“ bereiste er zahlreiche Städte überall auf der Welt.

Zurück in die Heimat

Nach 14 Jahren auf großer Tournee bat ihn ein türkischer Landsmann, doch in die Heimat zurückzukehren. Dort stellte er sich einer großen Herausforderung: er wollte Magie, Zauberei und Illusionen als Kunstform etablieren. Kein Leichtes, wurde Zauberei doch gleichgesetzt mit Gaunerei und Rosstäuscherei, mit Täuschung, Mogeln und unlauteren Absichten. Doch Zati, ausgestattet mit Zylinder und Monokel, umgeben von einer charismatischen, ehrwürdigen Aura, konnte seine Landsleute schnell in seinen Bann ziehen. Mit Kunststücken wie der zersägten Jungfrau oder der fliegenden Jungfrau erregte er großes Aufsehen. Schon bald waren viele Legenden über ihn im Umlauf. Es wird erzählt, dass seine Kunststücke beim Publikum so real ankamen, dass einmal sogar auf ihn geschossen wurde. Ein Zuseher war der Meinung, der Magier würde gerade tatsächlich eine Jungfrau zersägen – dieses grausame Spektakel musste unter allen Umständen verhindert werden. Das Leben der schönen Jungfrau musste auf jeden Fall gerettet werden. So kam es, dass der Zuseher eine Waffe zog, und der Zauberer außer Gefecht gesetzt wurde. Freilich passierte der Frau nichts – und auch Zati Sungur kam mit dem Schrecken davon – so erzählt man es sich zumindest.

1966 nahm der türkische Magier Abschied von den Bühnen dieser Welt. Gemeinsam mit seiner Ehefrau widmete er sich fortan seinen zwei Töchtern. Und gründete in der Türkei ein Studio für die Herstellung und den Versand von Zauberutensilien. Zudem verfasste er ein Buch über Kammerspiele und kleine Zaubertricks. Für seine Bemühungen um die Zauberei und seine meisterlichen Kunststücke erhielt er vom Magischen Zirkel von Deutschland die Ehrenmitgliedschaft. Im Alter von 87 Jahren, als der in die Jahre gekommene Zauberkünstler gerade dabei war, neue Kunststücke für sein geplantes Jubiläum zu feiern, verstarb er an Herzinsuffizienz.