Wir schreiben das 19. Jahrhundert. Irgendwo in einem Pariser Theater. Ein Mann steht auf der Bühne. Er bittet eine Dame aus dem Publikum um ein Taschentuch. Nachdem sie ihm das Tuch gereicht hatte, zerriss er es und streute die Papierfetzen über ein Orangenbäumchen. Wenig später fängt das Bäumchen an zu blühen. Vor aller Augen erstrahlte das Pflänzchen, saftige, satt orange Früchte wuchsen. Diese verteilte der Mann an das erstaunte Publikum. Die letzte Orange hielt er zurück, öffnete sie, das Taschentuch der Dame befand sich darin. Wie aus dem Nichts flogen zwei Schmetterlinge herbei, nahmen das Tüchlein und brachten es der verzückten Madame zurück.

Magisch mechanisch!

Die oben beschriebene Szene klingt wie ein Märchen, ist jedoch wirklich passiert. Der Mann, der diese Begegnung, dieses scheinbare Wunder, möglich machte, hieß Jean Eugène Robert-Houdin. Von Beruf Uhrmacher, verstand er sich auf das Erschaffen feiner mechanischer Gerätschaften. Seine zauberhaften Apparaturen beeindruckten die noblen Gesellschaften auf der ganzen Welt. Was wie echte Magie aussah, bestand in Wahrheit aus allerlei kuriosen Maschinen, vorgeführt mit viel Fingerspitzengefühl, entwickelt und gebaut mit enormen wissenschaftlichen Kenntnissen.

Zauberhafte Automaten!

Neben seinem feinen Gespür für die Wirkung mechanischer Apparaturen nannte der französische Zauberkünstler auch einen untrüglichen Sinn für Mode sein Eigen. Statt sich wie Gaukler bunt, auffällig und kurios zu kleiden, bevorzugte der Magier elegante, zeitgemäße Kleidung. Und sprach damit ein intellektuelles, betuchtes Publikum an. Sein eindrucksvolles Erscheinungsbild und seine phänomenalen Apparaturen prägten nachfolgende Illusionisten und Magier. Eine beachtliche Leistung, bedenkt man, dass Jean Eugène Robert-Houdin nur insgesamt elf Jahre als Magier tätig war.

Das Vermächtnis eines Pioniers.

Dem Pariser Publikum führte der Uhrmacher seine Kunststücke exklusiv in seinem Mitte des 19. Jahrhunderts eröffneten Theater im Palais Royal vor. Zaubertricks, an optischer Eleganz kaum zu übertreffen, Mentalmagie, und Illusionen voller Gefühl und Stil – seine mechanischen Fähigkeiten und Kenntnisse auch im Gebiet der Elektrizität öffneten ihm viele Türen und machten Tricks möglich, die so zuvor niemand vorführen konnte. Nachdem er sich aus dem Showgeschäft zurückgezogen hatte, bestand sein Theater noch ein paar Jahre fort und wurde schließlich an den Filmpionier George Méliès verkauft, welcher dort seine Trickfilme zeigte. Jean Eugène Robert-Houdin lebte vom 7. Dezember 1805 bis zum 13. Juni 1871. Er gilt als einer der größten Zauberkünstler seiner Zeit.